Besenderung von Rotmilanen in der Region
Das Hauptziel des Projektes ist es durch Besenderung mehr über das Verhalten und der aktuellen Gefährdungsfaktoren der Rotmilane in der Region zu erfahren. Dadurch soll der Schutz der Greifvögel optimiert und ihr Bestand langfristig gesichert werden. Neben diesem Ziel sollen die innerhalb des Projektes gewonnen Daten zur Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden und so die interessierte Öffentlichkeit über die Rotmilane informiert werden.
Hintergrund
Der Rotmilan (Milvus milvus) ist einer der wichtigsten Greifvögel Europas und gilt als charakteristische Art offener Kulturlandschaften, insbesondere in Mitteleuropa. Seine zentrale ökologische Rolle liegt vor allem in der Regulation von Kleinsäuger- und Aasbeständen, wodurch er entscheidend zur Stabilität naturnaher Ökosysteme und zur biologischen Schädlingskontrolle beiträgt.
Bedeutung als europäischer Greifvogel
Der Rotmilan ist ein Europäer, mit einem globalen Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland und Frankreich. Rund 50% des Weltbestands leben in Deutschland, wodurch das Land eine besondere Verantwortung für die Arterhaltung trägt. Seine Präsenz ist ein Indikator für die Biodiversität und Qualität halboffener Landschaften und damit ein Fokuselement im europäischen Naturschutz.
Gefährdungsfaktoren
Die Bestandsentwicklung des Rotmilans in Deutschland wird vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit verbundene Landschaftsveränderung negativ beeinflusst. Die Gefährdungsfaktoren sind jedoch europaweit vielfältig und unterscheiden sich zwischen den Ländern, gehen aber meist auf menschlichen Einfluss zurück, insbesondere durch Vergiftungen (z.B. Pestizide, Giftköder). In den Überwinterungsgebieten wie Frankreich und Spanien führen der Verzehr vergifteter Nagetiere und der Einsatz von Rodentiziden zu teils massiven Populationsrückgängen. Weitere Bedrohungen sind Verlust von Wäldern, Umwandlung von Grasland, Intensivierung der Landwirtschaft, Kollisionen mit Verkehr und Stromleitungen sowie Windenergieanlagen, bei denen der Rotmilan besonders häufig Schlagopfer ist.
Ein Projekt, dass wesentlich zur Kenntnis der Gefährdungsfaktoren der Rotmilane beigetragen hat, ist das Projekt LIFE Eurokite (https://www.life-eurokite.eu). Die Kernidee des Projektes besteht darin, mithilfe von Telemetriedaten die Lebensraumnutzung der Zielarten zu ermitteln und die Hauptgründe für die Sterblichkeit von Greifvogelarten in der EU zu quantifizieren. Die Ergebnisse des Projektes sollen dazu genutzt werden die wichtigsten vom Menschen verursachten Todesursachen zu bekämpfen und Schutzmaßnahmen zu optimieren. Die Daten von LIFE Eurokite und anderer Studien zeigen zudem, dass sich das Verhalten der Rotmilane ändert. In den letzten Jahren gewinnen Länder wie England, die Schweiz und Schweden eine zunehmende Bedeutung für die Tiere. In anderen Ländern gilt die Art inzwischen als vom Aussterben bedroht (z.B. in Tschechien, der Slowakei oder Österreich) oder stark gefährdet. Deutschland kommt weiterhin eine bedeutende Rolle als Hauptbrutort zu, jedoch ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Sterblichkeit bei Jungtieren zu beobachten. Das Projekt LIFE Eurokite geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Jungtiere nicht flügge wird.
Rotmilane sind Zugvögel und brechen ab September in den Mittelmeerraum auf. Für den Zug in die Winterquartiere benötigen die Tiere etwa zwei Wochen, wobei sie täglich Strecken von 50 bis 200 km zurücklegen können. Das Zugverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Während früher viele Tiere auf der iberischen Halbinsel überwintert haben, nimmt heute die Zahl der in Mitteleuropa und Südfrankreich überwinternden Vögel zu. Bei ausreichendem Nahrungsangebot verlassen manche Tiere auch in den Wintermonaten Deutschland nicht mehr. Insgesamt zeigen neuere Daten, dass die Anzahl an Rotmilanen steigt, die keinen Zug in den Süden mehr antreten.
Umsetzung der Besenderung und Kooperation mit LIFE Eurokite
Der Rotmilan ist eine Zielart in unserem LIFE-Projekt „Siegerländer Natur- und Kulturlandschaften“. Das Projekt wird daher in Anlehnung an das LIFE Projekt umgesetzt und bezieht sich auf dessen Projektgebietskulisse, dem Vogelschutzgebiet „Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen“. Für die Besenderung der Rotmilane wurde eine Kooperation mit dem Projekt LIFE Eurokite eingegangen.
Die Besenderung ist über zwei Jahre geplant und erfolgt sowohl an Alt- als auch an Jungtieren. Als Vorbereitung auf die Besenderung wurden alle Horstbäume im Vogelschutzgebiet kartiert und beobachtet bzw. ein Teil der Horste mit Kameras ausgestattet. So konnte ermittelt werden welche Brutpaare für eine Besenderung potenziell zur Verfügung stehen.
Besenderung von Alttieren
Für den Fang der Tiere wird die sogenannte Dho-Gaza Methode angewandt. Dazu wird ein Japannetz (wie üblich beim Vogelfang für die Beringung bzw. Besenderung) in Horstnähe aufgestellt. Auf einem Holzpflock dahinter wird das Präparat eines Uhus, der ein natürlicher Fressfeind des Rotmilans ist, aufgestellt. Adulte Rotmilane zeigen kurz vor dem Flüggewerden ihrer Jungtiere stark aggressives Verhalten und fliegen beim Versuch den Eindringling zu vertreiben in das aufgespannte Netz. Die Vögel sind „in der Hand“ sehr ruhig, sodass es zu keinen Verletzungen durch Flügelschlagen o. ä. kommt (Akinese). Eine Betäubung ist daher nicht notwendig beziehungsweise anhand bisheriger Erfahrungen nicht notwendig. Auf dem Rücken des Vogels wird dann mittels eines Geschirrs aus Teflonband ein Sender befestigt. Dieser Sender wird so angebracht, dass er den Vogel beim Fliegen nicht stört und insgesamt zu keiner Belästigung des Tieres führt.
Besenderung von Jungtieren
Zur Besenderung juveniler Rotmilane ist eine sorgfältige und intensive Vorarbeit notwendig. Nur wenn die Jungtiere das richtige Alter, und somit angemessene Größe und Gewicht haben, ist eine sachgemäße, gefährdungsfreie Besenderung der Jungtiere möglich. Daher werden alle Bruten engmaschig kontrolliert. Der optimale Zeitpunkt für die Besenderung von Rotmilan-Jungtieren ist im Alter von etwa 30 – 35 Tagen erreicht. Die Jungtiere werden für die Besenderung direkt aus dem elterlichen Horst entnommen. Dazu klettert ein erfahrener Baumkletterer mittels baumschonender Seilklettertechnik zum Horst hinauf. Die gesundheitliche Unversehrtheit vorausgesetzt, werden die Jungtiere in einen Stoffbeutel gesetzt. Mittels eines Seils wird der Beutel mit den Jungtieren behutsam nach unten gelassen, wo sie vom bereitstehenden Besenderungsteam in Empfang genommen werden. Am Boden wird zunächst der Gesundheitszustand der Jungtiere erneut visuell überprüft sowie das Körpergewicht bestimmt. Durch die Messung der Flügellänge kann der Schlupfzeitpunkt und somit das Alter der Jungtiere recht präzise ermittelt werden. Mittels eines vorgefertigten Geschirrs aus Teflonband wird anschließend ein Sender auf dem Rücken des Jungtiers befestigt. Die Befestigung der Sender erfolgt mittels Rucksackgeschirr aus Teflon-Band. Nach Abschluss der Besenderung und doppelter Kontrolle zu Sitz und Unversehrtheit der Tiere durch mindestens zwei erfahrene Ornithologinnen wird das Jungtier wieder in einen Stoffbeutel gesetzt und von dem am Horst wartenden Baumkletterer wieder nach oben gezogen und in den Horst zurückgesetzt.
Besenderte Tiere in 2025
Im Vogelschutzgebiet konnten für die Besenderung in diesem Jahr vier Brutpaare ausgewählt werden. Die Anzahl der Jungtiere in den Horsten reichte von 1-3 Jungtieren. Insgesamt konnten 8 Jungtiere besendert werden. Die Besenderung erfolgte im Zeitraum 11. - 13. Juni 2025. Die Besenderung von Altvögel ist sehr aufwendig und mit viel Glück verbunden, da die Alttiere nicht immer auf die Uhu-Atrappe reagieren. Wir hatten Glück und konnten drei adulte Vögel besendern, somit wurden in 2025 11 Tiere besendert.
Im September haben die unsere Tiere die Region verlassen und sich auf ihre Reise nach Richtung Süden begeben.
Mehr Informationen über die besenderten Tiere kann hier eingesehen werden: https://www.life4siegerlandscapes.de/siegerlandscapes-digital-begreifen/besenderung-der-rotmilane/besenderte-rotmilane
Projektinformationen
Förderung: NRW-Stiftung und Stöckmann-Stiftung
Fördervolumen: 60.000,- Euro
Projektzeitraum: 01.06.2025 - 31.05.2027
Weitere Informationen finden Sie hier: Life4Siegerlandscapes